In den Süden Marokkos | AGDZ

Verena

Agadir empfing uns mit strömendem Regen. Die Straßen schwimmen weg, Randsteine lösen sich und trudeln herum, unser Jeep weicht aus. Die Stadtbewohner laufen laut lachend und gestikulierend mit nackten Füßen in Winterkleidung über die schlammigen Wege.

H. und ich fragen uns: Soll das unsere erste Erfahrung mit Katastrophentourismus werden? Unaufgeregt und immer wieder die Straßen taxierend meint unser Fahrer, als könne er Gedanken lesen: „In zwei Tagen sind wir in Agdz! Die Leute freuen sich über das Wasser, es garantiert beste Ernten in den nächsten Jahren. Niemand wird hungern. Die Straßen sind bald wieder gebaut.“ Dies alles im fröhlichen Englisch, Französisch spricht er fließend. Er spielt uns seine Lieblingslieder ein, wir sollen uns erholen vom Flug. Dort, wo zur späten Nacht die Straße nicht mehr zu sehen ist, haben Dorfjungen weiße Steine gelegt um die Furt anzuzeigen. Der Toyota rüttelt sich über Geröllpisten, durchquert Wasserlöcher. Aus den Gebirgsbächen strömt es unter den Straßen hindurch – Ich bestaune die einfache, kluge Bauweise, sehe Lehmhäuser dahin sinken und Felder und Wüstenland grün und gelb leuchten. In Arganbäumen springen Zicklein von Ast zu Ast, auf den Dächern der Dorfhäuser blüht der gelbe Klee. Alles ist wunderbar, kein Grund zur Besorgnis.

Am nächsten Kreisverkehr hört die Welt auf, nur eine Ausfallstraße funktioniert noch, Städte sind vom Wasser eingeschlossen. Die Menschen stehen bei ihren Autos und besprechen miteinander, was geht und was nicht. Wir nehmen die Wege, wie sie kommen, nach zehn Stunden Fahrt finden wir die erste Herberge, schon auf tausend Meter Gebirgshöhe. Dort erwarten uns zur halben Nacht drei junge Männer, freundlich – gelassene Menschen, die wunderbare Obstplatten mit Orangen, Feigen, Aprikosen und Mandeln und dazu Brot mit vielerlei Oliven, Hühnchen und Couscous auftischen. Der obligatorische Pfefferminztee wärmt uns alle gut, bevor wir zu erholsamem Schlaf unter weiche Decken krabbeln.

Tage später haben wir schon mehrfach die Sonne über dem Hausberg untergehen sehen, die Straßen sind vom Kies befreit, der nun Gartenwege in der Palmerie bildet. Wir sitzen im Schatten der Palmen und lernen zu trommeln, werden zur Hochzeit eingeladen und im Hamam geschrubbt und bestaunt: Die weitgereisten Gäste sind das Ereignis für die Familie… Wir tanzen zur Hochzeit den Reigen mit und spüren die Heilwirkung der Musik und der Landschaft. Tags lernen wir das traditionelle Töpfern ersten anfängen, abends führt uns ein Prinz der Gastfamilie in Armani-Hosen unter der Djellaba durch die Familien-Kasbah. Zu Hause sagen wir auf Arabisch: „Schlafe göttlich und lass die süßen Träume zu dir kommen.“